Heidelberg kolonial


Auf der Suche nach kolonialen Spuren in Geschichte und Gegenwart

Podcast

Wir möchten die kolonialgeschichtliche Vergangenheit in der Stadt Heidelberg verstehen. Verstehen, dass koloniale Spuren noch bis heute wirken und in der Stadt sichtbar sind. Orte in Heidelberg kennen, die mit der Kolonialgeschichte eng verwoben sind. Den strukturellen Ursprung von Rassismus verstehen und junge Menschen auf koloniale Kontinuitäten in Heidelberg aufmerksam machen.

Der Podcast steht zum Anhören auf SoundCloud und Spotify bereit.

Wer sind wir?

Der Podcast heidelberg kolonial – Auf der Suche nach kolonialen Spuren in Geschichte und Gegenwart ist Teil des Projekts Decolonize Heidelberg. Wir, das sind Leonie, Levin, Zehra, Imad, Nadja und Pauli, studieren in Heidelberg und arbeiten an diesem Projekt bei Migration Hub Heidelberg.

Mit dem Thema Kolonialismus setzen wir uns seit dem Sommer vergangenen Jahres auseinander. 2020 stießen weltweite Proteste gegen strukturellen Rassismus erneut Diskussionen über gegenwärtige globale Ungleichheiten an. Seitdem wird öffentlich vermehrt diskutiert, welche historischen Ereignisse diesen Ungleichheiten zugrunde liegen, wie diese Ereignisse heutige Denkweisen und Gesellschaften strukturieren und welche Verantwortung einstige Kolonialmächte an der ungerechten Weltordnung tragen.

Wir möchten koloniale Spuren in Heidelberg sichtbar machen und aufzeigen, wie und wo Kolonialismus auch heute fortwirkt. Dazu haben wir uns mit aktuellen Debatten um die Dekolonisierung von Städten auseinandergesetzt, Workshops zur deutschen und Heidelberger Kolonialgeschichte besucht und uns tiefer in das Forschungsfeld eingelesen. Dennoch sind wir keine Expert*innen in Sachen Kolonialismus. Wir sind junge Menschen, die koloniale Kontinuitäten kennen- und verstehen lernen möchten und das auch für das Publikum des Podcasts ermöglichen wollen.

Für die sprachliche und inhaltliche Richtigkeit verlassen wir uns deshalb nicht allein auf unsere eigenen Recherchen, sondern werden durch die ehemaligen Mitglieder*innen des Vereins schwarzweiss unterstützt. Schwarzweiss e. V. hat vor einigen Jahren die koloniale Geschichte Heidelbergs erforscht und dokumentiert und bot postkoloniale Stadtführungen an. Unser Podcast heidelberg kolonial baut auf dieser Vorarbeit auf. Finanziell unterstützt wird unser Podcast von Mosaik Deutschland e. V. im Rahmen des Projekts “Demokratie leben!”.

Worum geht es?

Thema unseres Podcast ist Kolonialismus – wie er entstanden ist, welches Denken ihm zugrunde liegt und wie er sich noch heute auf die Gesellschaft auswirkt. Der Fokus liegt dabei auf der deutschen Kolonialgeschichte und insbesondere auf der kolonialen Vergangenheit der Stadt Heidelberg. In verschiedenen Folgen möchten wir mit Orten, Persönlichkeiten und Institutionen der Stadt kritisch auseinandersetzen.

Der Podcast soll ein virtueller Stadtrundgang durch Heidelberg sein, bei dem jede Folge die Kolonialgeschichte eines Ortes behandelt. Dabei wird im ersten Teil jeder Folge zunächst die Geschichte beleuchtet. Anschließend geht es im zweiten Teil darum, wie sich Kolonialismus noch heute auf den jeweiligen Ort auswirkt und welche Parallelen zwischen Geschichte und Gegenwart bestehen. Interessierte können sich entweder an die behandelten Orten begeben und die dazugehörige Folge des Podcasts dort anhören, oder den virtuellen Rundgang von Zuhause aus machen.

Für wen ist der Podcast gedacht?

Erreichen möchten wir in erster Linie Studierende und Einwohner*innen der Stadt Heidelberg, aber auch alle anderen Menschen, die mehr über das Thema Kolonialismus lernen möchten. Um den Podcast anzuhören, ist kein Vorwissen nötig. Grundlegende Informationen, die für das Verständnis der Podcast-Reihe wichtig sind, werden wir unseren Hörer*innen in der ersten Folge übermitteln. Die Texte unseres Podcasts werden nicht in wissenschaftlicher Sprache gelesen. Stattdessen möchten wir komplexe Zusammenhänge so einfach wie möglich erklären und im Format von informellen, authentischen Gesprächen, die wir miteinander führen, aufnehmen. Der Podcast wird auf Deutsch aufgenommen, und wir hoffen, auch ein Transkript mit Übersetzungen veröffentlichen zu können.

Wie gehen wir vor?

In Vorbereitung ist zunächst eine Einführungsfolge, die voraussichtlich Ende Oktober zu hören sein wird, danach sind Folgen über den Tabakhandel in Heidelberg, Heidelberger Verbindungen, die Universität und das Völkerkundemuseum in der Altstadt geplant. Die circa 30-minütigen Folgen möchten wir auf der Podcast-Plattform Podcaster, sowie auf Spotify und Soundcloud hochladen. Die fertige Folge wird dann über die Social-Media-Kanäle sowie die Website von Migration Hub öffentlich gemacht und verbreitet. Zudem schicken wir den Podcast an ausgewählte Multiplikator*innen, die sich nah an unserer Zielgruppe befinden, um möglichst viele Menschen mit unserem Thema zu erreichen. 

Wir freuen uns auf zahlreiche Interessierte und werden natürlich alle Updates auf Instagram und Facebook teilen. Vielen Dank für Eure Unterstützung. Stay tuned!

Offener Brief

#DecolonizeHeidelberg,

20 Juli 2020

Triggerwarnung – in diesem Brief werden Begriffe und Narrative verwendet, die rassistische Stereotype reproduzieren.

 

 

Am 7. Juli diesen Jahres berichtete die RNZ über zwei Stellen in Heidelberg, die rassistische Stereotype reproduzieren: die Kneipe “Der Mohr” sowie die lebensgroße  Figur im Schaufenster von “Scheurings Tabakladen”, die rassistische und koloniale Denkmuster  fortführen . Anders als der Titel vermuten lässt, hat Heidelberg nicht “jetzt [eine] “Mohren”-Debatte”, sondern es wird den Menschen Aufmerksamkeit geschenkt, die den offensichtlichen Rassismus benennen, der auch tief in die Geschichte unserer Stadt eingeschrieben ist. Die Frage ist nicht nur, ob das Wort verwendet werden sollte oder nicht, vielmehr geht es darum, ob wir den zugrunde liegenden Rassismus akzeptieren oder nicht. Heidelberg sollte sich ein Beispiel an anderen Städten nehmen: Aufgrund der rassistischen Bedeutung haben die Berliner Verkehrsbetriebe angekündigt den U-Bahnhof “Mohrenstraße” umzubenennen, genauso wie eine Apotheke in Kiel.

Der Rassismus liegt bereits in der Wurzel des kolonialistisch geprägten Wortes: Der Begriff „Mohr“ stammt einerseits von dem griechischen Wort moros “dumm, töricht, gottlos, einfältig” und leitet sich außerdem von dem lateinischen Wort maurus “schwarz, dunkel, afrikanisch” ab. Neben des bereits rassisitischen Wortursprungs steht die Verwendung des Wortes in einer Tradition der Abwertung und Objektifizierung von Schwarzen¹ Menschen.  Dabei ist nicht relevant, wer genau durch dieses Wort beschrieben wird, sondern dass durch diese Fremdzuschreibung die Versklavung und Ausbeutung Schwarzer Menschen weltweit legitimiert wurde.

Auch bei „Scheurings Tabakladen“ wird diese rassistische Praxis zu Marketingzwecken im Ladenschild sowie durch eine lebensgroße Figur genutzt. Die Figur reproduziert kolonialistische Strukturen, die den Rassismus von heute maßgeblich geprägt haben: Nicht-weiße² Menschen wurden und werden zu “exotischen” und “niederen” Menschen gemacht, welche für den Wohlstand europäischer Kolonialmächte und Konsum europäischer Gesellschaften ausgebeutet und erniedrigt wurden. Auch in Heidelberg gab es Völkerschauen – Veranstaltungen wie “Menschenzoos” –  in denen deutschlandweit rund 35.000 Schwarze Menschen wie Tiere vorgeführt und erniedrigt wurden. Sie wurden als “exotisch” und “wild” dargestellt, um die Hierarchisierung von Menschen zu rechtfertigen und somit auch den Kolonialismus. Und genau dieses Bild trägt die Figur im Schaufenster von „Scheurings Tabakladen“  in die heutige Gesellschaft und den städtischen Raum Heidelbergs. 

In beiden Fällen – der Gaststätte “Mohr” sowie die Verbildlichung dieser rassistischen Fremdzuschreibung in Form einer lebensgroßen Figur in “Scheurings Tabakladen” – ist es letztlich irrelevant, ob dies als rassistische Verletzung intendiert ist oder nicht. Entscheidend ist, dass Schwarze Menschen davon angegriffen und rassistisch beleidigt werden. Die Berechtigung der Anzeige wegen Beleidigung liegt also auf der Hand. 

Wir möchten keine einzelnen Menschen verurteilen, sondern auf rassistische Strukturen aufmerksam machen, um diese gemeinsam abzubauen, um so die Rassismuserfahrungen von Schwarzen Menschen in unserer Stadt ernstzunehmen. Rassismus kann von weißen Menschen nicht nachempfunden werden, denn die jahrhundertelange Geschichte der Erhebung weißer Menschen über nicht-Weiße kann nicht umgekehrt werden. Wir appellieren daher an alle Menschen, die in Zusammenhang mit dieser Sache stehen, auf die Expertise von Menschen, die im Bereich Antirassismus arbeiten und auf Menschen mit Rassismuserfahrungen, zu hören. 

Konkret fordern wir die Änderung des Namens der Gaststätte “Gasthaus Zum Mohren“ und die Entfernung des Schriftzugs auf dem Gebäude. Des Weiteren fordern wir die Entfernung der rassistischen Figur und des Landenschilds von Tabak Scheuring. Wir fordern Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderat dazu auf, die Entmenschlichung und Ausbeutung als Schwarz konstruierter Menschen anzuerkennen und sich gegen ein Fortwirken dieser Fremdbilder im städtischen Raum Heidelbergs einzusetzen. Wir fordern, dass die Kolonialgeschichte Heidelbergs auch von offiziellen Stellen aufgearbeitet wird. Wir wünschen uns eine Stadt, die Rassismuserfahrungen ihrer Bürger*innen ernst nimmt und keine Diskussion über die Intention einzelner Akteur*innen ins Zentrum der Debatte stellt. Zentrum der Debatte ist die Frage, ob wir Rassismus reproduzieren möchten oder nicht. Dass er existiert, sollte in unserer Gesellschaft längst anerkannt sein.

Die Stadt trägt die Verantwortung all ihre Bürger*innen zu schützen, insbesondere die, die Diskriminierung und Ausgrenzung im städtischen Raum in Heidelberg erfahren. Diese Debatte ist nicht theoretisch und es geht nicht um die politisch korrekte Wortwahl. Es geht um die Verantwortung unserer Stadt, die Menschenwürde all ihrer Bürger*innen, egal welche Hautfarbe oder Herkunft ihnen zugeschrieben wird, zu schützen.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen gerne unter heidelberg@migrationhub.network zur Verfügung.

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¹ “Schwarz” ist keine Beschreibung einer Hautfarbe, sondern eine politische Selbstbezeichnung, die gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten deutlich macht. Im Unterschied zu der Farbe wird das Wort hier groß geschrieben.

² Der Begriff “weiß” beschreibt hier keine Hautfarbe. Gemeint ist damit eine gesellschaftspolitische Norm und Machtposition. Um dies deutlich zu machen wird der Begriff kursiv geschrieben.